(von Schulrat i. R. H. Blotenberg, 1959)
Um die Zeit der Varusschlacht waren die Einzelstämme und Völkerschaften Germaniens waren noch nicht zu einem Staat vereinigt, sondern suchten, auf sich selbst gestellt und nicht immer angriffslustig, ihren Lebensraum zu sichern und notfalls zu verteidigen. Das geschah auf mancherlei Art. Im engeren Heimatgebiet dienten dazu die Landwehren und an den Talausgängen des Wiehengebirges Pass-Sperren. Ausweich- und Fluchtlager benutzte man gegebenenfalls im tiefer gelegenen Gelände der Bergwildnis. An der offenen Westseite lag in Dahlinghausen die „Dicke Landwehr“, aus einem mächtigen Walle und den entsprechenden Gräben bestehend. Sie bildete die Verteidigungsgrenze gegen die spätere Diözese Minden. Von ihr gibt es keine Spur, nur der Name ist von Blotenberg überliefert. Allerdings hat sie auch urkundliche Erwähnung gefunden in alten Aktenstücken, die sich mit der Begegnung der rivalisierenden Bischöfe von Minden und Osnabrück an der für beide gleichen Landesgrenze befassen.
Bei der Anlage solcher Wälle wurde der Zweck verfolgt worden, den trockenen Geestrücken vom Dümmer her über Lemförde und Bohmte, Levern, Destel zur Weser über Lübbecke zu sperren. Dieser alte Völkerweg kreuzte später den Postweg über Diepenau-Rahden. Der römische Feldherr Germanicus musste im Jahre 16 diese verfängliche Enge passieren, wenn er die von Lagern und Verstecken starrenden Pässe in den Schluchtausgängen des Wiehengebirges meiden wollte. Er nahm daher von der Ems aus durch das Oldenburgische den Weg über die „pontis longi" (lange Brücken), von Oberstleutnant Morell im Jahre 1877 entdeckt und bereits dem Tacitius bekannt, um von Damme aus den Weg über Hunteburg, das Karlsfeld, die Bohmter Heide an die fragliche Wehranlage zu finden.
Zahlreiche Funde wie das Schwert von Damme nebst Lanzenspitzen, Münzen aller Art, die Statuette von Wimmer u. a. sind hinterlassene Spuren. Die Angrivarier dieser Gegend beunruhigten die Römer hier zunächst nicht sonderlich, fielen ihnen aber in den Rücken, als diese nach der verlorenen Schlacht bei Indisiaviso im heutigen Bückeburgischen nach Wiederinstandsetzung der Landwehren dem alten Widersacher eine völlige Niederlage zufügen konnten, nachdem sie auch dessen Dämme und Bohlenwege total zerstört hatten. Bemerkt sei hier, dass ein Stück der „pontes longi" mit ihren eigenartigen Konstruktionsmerkmalen im Osnabrücker Museum sich befindet.
Eine weitere Wehranlage durchstrich den südwestlichen Teil des Kreisgebietes, aus den umfangreichen Wäldern jenseits der Grenze kommend und in Richtung .über Ostercappeln nach Schwagstorf sich hinziehend, die Haltern-Haarener und weiterhin Schwagstorfer Landwehr genannt. Links der Straße Dübberort nach Kleinhaltern bricht sie in unmittelbarer Nähe einer Neusiedlung ab, um von hier aus nur noch dem kundigen Auge in äußerlich kaum noch erkennbaren Bruchstücken in Erscheinung zu treten. Auch sie hat im wesentlichen Teile dem Pfluge und der Axt weichen müssen. In Anbetracht ihrer ehemaligen Bedeutung als Grenzwall zwischen drei Germanenstämmen, den Brukterern im Süden und den Chasuariern (Haseleuten) nordwärts von ihnen und den Angrivariern westseits des Walles, der sich über Holte und durch den Westteil des Kreises Meile über den Kamm des Teutoburger Waldes erstreckte, ist diese Wehranlage nicht nur eine Grenzbefestigung, sondern auch eine Dialektscheide. Die noch vorhandenen, stark abgeflachten Wälle mit den fast eingeebneten Gräben lassen kaum noch auf ihre einstige Mächtigkeit in einer Breite von 12,80 Metern und einer Höhe von 2,20 Metern schließen. Die Tiefe des Frontgrabens an der Außenseite kann auf 2,40 Meter bemessen werden. Durch die Landwehr ging der alte Heerweg Osnabrück, Belm, Wulften, Essen. Unmittelbar an diesem alten Straßenzuge lag das Kolonat Landwehr, in die Wehr selbst eingebaut, und außerhalb derselben das Kolonat Heerweg. Flankiert wurde die Innenseite der Anlage in der Haarener Feldmark bis nach Ostercappeln durch den sogenannten Martelsweg, der an keiner Stelle mehr nachzuweisen ist. Sein Name hängt von der althochdeutschen Bezeichnung marca, d. h. Grenze, ab. Er diente wie der Zinnengang einer Festung dazu, die Wehr zu begehen, um sie in Ordnung zu halten. Über Ostercappeln hinaus waren bis vor etwa 150 Jahren bei Wahlburg noch Wälle vorhanden, unter deren Schutz im Jahre 1433 der Osnabrücker Stadthauptmann Cord Möllenbeeke sich den Mindenern erfolgreich zur Wehr setzte, nachdem diese bei Ostercappeln gesiegt hatten. Der Name des jetzigen Gutes Wahlburg dürfte mit Wallburg gleichbedeutend sein.
Die Verfolgung der Schwagstorfer Landwehr gestaltet sich nach ihrer örtlichen Lage und der Gesamtausdehnung bis auf kurze Strecken recht schwierig. Sie beginnt südlich des Cappelner Bruches. Nördlich davon wird sie in einer Länge von 2,5 km vom Bauern Hellbaum bis nicht ganz zur Elze vom alten Mindener Postweg begleitet. Ein bis in die neuere Zeit erhaltener Teil lag mit allerdings nur 123 Schritten auf der Heide zwischen Hellbaum und Thörner. Hier führte der alte Bremer Heerweg von Osnabrück über Icker kommend, auf Bauer Dürfahrt zu, so nach der sich hier befindlichen Durchgangslücke genannt. Der Thörner (Türmer) hat sicherlich einen wichtigen Wachtposten versehen. Reste des Grundgemäuers seines Turmes sollen noch in neuerer Zeit gefunden sein. Der Wehrwall biegt nun bald, sich dem Gebirge zuwendend, hinter der Elze um. In etwa 300 Meter Entfernung läuft er parallel zum Lutterdamm, um danach die heutige Kreisgrenze bei Kalkriese zu überschneiden und sich alsdann quer zum Barenauer Pass nach Norden in Richtung Vörden zuzuwenden. Diesen Durchgang zwischen Gebirge und Moor benutzten wiederum die Römer in das Innere Germaniens. Zahlreiches Finden von römischen Gold- und Silberdenaren aus der römischen Republik und Kaiserzeit, auch in Depotfunden, beweisen diese Tatsache. Ob hier aber nach Ansicht des Forschers der römischen Geschichte, Professor Mommsen, die entscheidende Varusschlacht stattfand, bleibt von anderen deutschen Forschern stark umstritten.
Befassen wir uns nunmehr mit den Wehranlagen am Ausgang der Bergschluchten, zunächst mit der Bastion östlich des Talausganges beim Kalbsiek, mit dem volkstümlichen, wohl kaum erklärbaren Namen Backofenburg benannt. Nach dem Abhub der ehemals hier vorhandenen Bergspitze schuf man ein Plateau mit einem nach allen Seiten geschlossenen Ringwall, dessen Nordhälfte mit steilerem Abhang die südliche überragte. Letztere ist gegenüber der Straße von mehreren, sich sichelartig anlehnenden Wällen mit zwei Gräben umgeben. Nach Norden eröffnet sich ein weiter, der Beobachtung dienender Ausblick über die Ebene. Von dieser Bastion aus zog sich ostwärts über die Linner Egge ein heute noch gut erkennbarer Wallgraben bis zur Barkhauser Senke, die damals noch nicht passierbar war. Daher hatte die Kalbsiekstraße den gesamten Verkehr zum Süden zu übernehmen. Mit dem Rattinghauser Heerlager dürfte die Kalbsiekbastion Verbindung gehabt haben.
Eine andere, ebenfalls als Talsperre dienende Befestigungsanlage liegt in der von der Staatsbahn durchkreuzten Schlucht bei Ostercappeln nordwärts des Gutes Krebsburg, an der die alte Heer- und Handelsstraße von der Ems aus über Fürstenau, Bramsche, Engter und weiterhin über Oldendorf und Lübbecke zur Weser führt. Diese Anlage führt den noch angedeuteten Namen als Schnippenburg. Sie benutzt als äußerst günstigen Platz für ihren Zweck einen nach Norden. Osten und Süden steil abfallenden Bergvorsprung der westlich gelegenen Venner Egge in der Gabelung zweier Bachläufe, die sich am Osthang vereinigen und jenseits Ostercappelns in den Lecker Mühlbach fließen. Die gesamte Anlage umfaßt einen Flächenraum von etwa 1,5 ha, wurde durchschnitten von einem Koppelwege in Richtung Schwagstorf und zeigt in der Mitte noch eine Vertiefung, die man als Brunnenanlage deuten könnte. Gefunden wurden hier bronzene Schnallen von Pferdegeschirren und eine eiserne Axt als Urkunden einer frühzeitlichen Anlage.
Das viel bekanntere Rattinghauser Heerlager ist in Hinsicht seines einstigen Zweckes umstritten. Allgemein dürfte anzunehmen sein, dass es sich im Kampfe zwischen Römern und Germanen und vielleicht noch später in den Sachsenkriegen um einen verteidigungsfähigen Sammelpunkt gehandelt oder notfalls als Fluchtlager gedient hat. Müller von Sondermühlen bei Melle ist der Ansicht, dass die Römer unter Varus nach den ersten verlustreichen Kämpfen für etwa drei Legionen hier auf kurze Zeit ein Fluchtlager mit schnell aufgeworfenen Wällen herrichteten, um vor dem weiteren Rückzüge an diesem Platze Wagen (Wagenhorst) und Gerät zurückzulassen oder zu vernichten. Professor Schneider ist völlig anderer Ansicht und behauptet, dass die Wälle viel zu mächtig für den vorübergehenden Zweck eines Flucht- und Durchgangslagers gewesen seien. Noch in der Frankenzeit hätten sie entsprechende Verwendung gefunden. Die heute noch besonders erkennbaren und auf den Karten verzeichneten Teile der Gesamtanlage sind die in 2 km Entfernung auseinander liegenden Wälle der Hohenhorst und Wagenhorst, die in recht- bzw. stumpfwinkliger Form hart an der Kreisgrenze liegen, diese auch teilweise überschneiden. Dass es sich hier ausschließlich um Wegsperren für die nördlichen Talausgänge bei Hüsede und Essen gehandelt hat, dürfte zurückzuweisen sein. Eine eingehende Beschreibung des Lagers nach seiner Ausdehnung über ein Areal von mehr als 400 ha liegt von A. Westerfeld aus dem Jahre 1931 vor. Die abseitige und versteckte Lage des Platzes mit allen natürlichen Voraussetzungen seines Zweckes, in reichlich vorhandenem Quellwasser und des erforderlichen Busch- und Stammholzes und dergleichen waren gegeben. Erwähnenswert dürfte noch sein, dass zur Sicherung des Lagers eine Vorpostenbastion vorhanden war, die Dr. Hartmann auf dem Westerberge an der Hüseder Schlucht feststellte, deren Umfassungswälle in Rechteckform mit gut erkennbarem Eingang eine römische Kohorte von etwa 70 Mann bergen konnte.
Wenn wir mit den vorstehenden Darlegungen auf den Spuren unserer Väter das Heimatgebiet in frühgeschichtlicher Zeit durchkreuzten, so erinnern wir uns auch ihrer alten Wohnstätten, deren ursprüngliche Namen mit den Jahreszahlen ihrer Ersterwähnung im späteren Mittelalter versehen sind. Zum Kirchspiel Ostercappeln gehörten während des Mittelalters bis in die Neuzeit hinein noch die heutigen Kirchengemeinden von Venne und Bohmte. Das Urdorf von Venne dürfte Darpvenne sein. Bohmte oder Bornwida wird mit Essen oder Essene von Feuerstelle abgeleitet, gemeinschaftlich zuerst im Jahre 1068 erwähnt, Herienichusen (Herringhausen) 1226, Hiddeshusen (Hitzhausen), desgleichen Ölingen im 13. Jahrhundert, Sterededorpe (Stirpe) 1295, Suavasthorpe (Schwagstorf) 1090, Felzeten 1000, Harpenvelde 1277, Husithi (Hüsede) im 12. Jahrhundert, Lochusen oder Lacuhusen (Lockhausen) 1068, Wirincthorpe (Wehrendorf) um 1200, Linthorpe (Lintorf), Delinchusen (Dahlinghausen) und Horthing- oder Orderinchusen (Hördinghausen) 1330, Ratbere (Rabber) 1267, Wimmere (Wimmer) 1230, Barghusen (Barkhausen) im 11. Jahrhundert, Linne und Ratmerinchusen (Rattinghausen) 1223. Mittelalterlich sind alle gutsherrlichen Sitze als ehemalige Lehen des Landesherrn an seine Ministerialen, den heutigen Adelsgeschlechtern.